Kratzquartier
Kratzquartier – der verschwundene Stadtteil von Zürich
Heute erinnert nur noch ein Brunnen an den Stadtteil - und der Böögg.
Lange gab es zwischen der Fraumünsterabtei und dem Zürichsee ein Quartier, von dem heute nur noch ein Brunnen übrig ist. Das sogenannte Kratzquartier stand bis 1891, als es in der “Grossen Bauperiode” vollkommen abgetragen wurde.
Erstmals erwähnt wurde das Quartier 1315. Bis zur Reformation 1524 gehörte es zur Abtei des Fraumünsters. Bis dahin war das Kratzquartier vom Rest der Stadt klar abgetrennt. Nur im Nordosten gab es einen schmalen Zugang zur Limmat hin. Im Norden lag das Fraumünsterkloster und eine an seine Umfriedung angelehnte Häuserzeile, im Westen stand die Stadtmauer, im Süden war der See und im Osten floss die Limmat.
Das Armenquartier der Stadt
Auch die Bevölkerung unterscheidete sich vom Rest der Stadt. Im “Kratz” wohnten eher Arme und Randständige. Wäscherinnen, Kesselflicker, Prostituierte, aber auch der Totengräber des Fraumünsters und der Scharfrichter nannten das Quartier ihr Zuhause. Um 1400 gehörte die Hälfte der Kratzbewohner zu den ärmsten Bewohnern der Stadt. In anderen Quartieren lag der Anteil bei etwa einem Fünftel.
Auf die Bewohner des Kratzquartiers geht der Brauch zurück, beim Sechseläuten einen mit Feuerwerkskörpern gefüllten Böögg zu verbrennen. Die Knaben des Quartiers verbrannten trotz Verbot im Frühjahr jeweils einen oder mehrere Strohpuppen. Daraus entwickelte sich über die Jahre die Verbrennung des Böögg, wie wir sie heute kennen.
Entwicklung nach der Reformation
Nach der Reformation wurde das Kratzquartier stärker in die Stadt eingebunden. Die Ufermauer wurde in den See hinaus versetzt und das dazwischen liegende Gelände trockengelegt und aufgeschüttet. Auf dem dreieckigen Areal entstand der städtische Werkplatz für Steinmetze und Zimmerleute. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts liessen sich vermehrt Bauhandwerker sowie Beamte der Stadt im Quartier nieder.
Im Stadtteil nicht zu übersehen war der Kratzturm. Der 1397 erstmals erwähnte Turm gehörte zur Stadtbefestigung. 1877 musste das Bauwerk trotz heftigen Protesten der Bahnhofstrasse weichen.
1586 wurde im Kratz das Bauhaus errichtet, das dem Stadtbaumeister als Wohnstätte diente. Als Bauvorstand der Stadt oblag ihm die Aufsicht über alle städtischen Bauten sowie Strassen und Brücken. Zudem war er Angehöriger des Kleinen Rats. Ab 1803 war im Haus die Stadtkanzlei sowie die Wohnung des Stadtschreibers untergebracht. Bevor das Bauhaus 1886 abgebrochen wurde, diente es noch als Quarantänelokal für Pockenverdächtige.
Das Ende des Quartiers
1844 wurde die alte Uferlinie von 1540 noch weiter in den See hinein verlegt. Auf der gewonnen Fläche entstand der Stadthausgarten, ungefähr da, wo heute der Bürkliplatz liegt. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts richtete sich der Blick der Stadtplaner vermehrt auf bereits bebaute Quartiere. Auch das Kratzquartier, in dem nach wie vor zahlreiche Minderbemittelte wohnten, sollte einem neuen Quartier weichen.
So kam es, dass der alte Stadtteil einer dichten Überbauung in Blockvierteln weichen musste. Die letzten Häuser im Kratz wurden 1891 geschleift. Sie standen an der Stelle des heutigen Haus “Metropol”.
Einziges Überbleibsel des Quartiers ist der Kratzbrunnen.
Er steht – nach mehrmaliger Versetzung – heute am nördlichen Rande des kleinen Parks zwischen Zypressen- und Fritschistrasse.